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Der Musiksommer zwischen Inn und Salzach

Hermann Steinmaßl – Altlandrat und 1. Vorsitzender des Musiksommer zwischen Inn und Salzach e. V.50 Jahre Begeisterung:
Wie eine ganze Region ihren Musiksommer zur Herzensangelegenheit machte.

Seit seiner Gründung im Jahr 1975 ist der Musiksommer ein besonderes Musikfestival. Heute, in der 50. Jubiläumssaison, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die Region zwischen Inn und Salzach als Gemeinschaftsleistung Festivalgeschichte geschrieben hat. Es begann 1973, als der Grassauer Arzt Dr. Franz Zech zusammen mit dem Ehepaar Mechtild und Wolfgang Swallisch, dem damaligen Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper München, die Idee hatte, die so genannten Chiemgauer Konzerte im Zentrum Kloster Seeon fest zu etablieren. Vorbild waren die Salzburger Festspiele – eine mutige Vision, die sich als nachhaltig erfolgreich erweisen sollte.
 

Die Anfänge: ein kühnes Vorhaben.

Politische Unterstützung kam vom damaligen Landrat des Landkreises Traunstein, Leonard Schmucker, der auch Vorsitzender des Regionalen Planungsverbandes war. Mit der Geschäftsstelle im Landratsamt Traunstein hat er auch das organisatorische Herzstück des Musiksommers eingerichtet. Eine entscheidende Rolle sollte zudem die neu gegründete Region 18 (Landkreise Rosenheim, Altötting, Mühldorf a. Inn, Berchtesgadener Land, Traunstein und Stadt Rosenheim) spielen: Aus der Initiative der Gründerväter wurde eine regionale Musikbewegung, die auf einer Fläche von über 5.000 km2 das "Musiksommerland" erschaffen sollte. Monsignore Alois Kirchberger, Kirchenmusikdirektor der Erzdiözese München-Freising, und Dr. Robert Münster, der damalige Leiter der Musikabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, komplettierten das Gründungsteam. 1976 konnte das erste Musiksommerkonzert in Ruhpolding mit der "Chiemsee-Messe" von Michael Haydn veranstaltet werden. 1979 wurde schließlich der Verein "Musiksommer zwischen Inn und Salzach e.V." gegründet mit einem Vorstand, der Geschäftsstelle und der künstlerischen Leitung. Gründungsvorstand wurde Landrat Leonhard Schmucker.

Die Vision: die regionale Marke "Musiksommer".

Was macht den Musiksommer so interessant und unverwechselbar, wo doch die international renommierten Festspielstädte München und Salzburg so nah sind? Das war von Anfang an die zentrale Frage der Gründerväter. Es war dieses etwas andere Konzept, dieser besondere Dreiklang aus Musik, Landschaft und Architektur, der zum entscheidenden Alleinstellungsmerkmal in der Region wurde. Auf den Punkt gebracht: Das Erlebnis Musiksommer beginnt bereits mit der Anreise zum Konzertort. Fernab jeglicher städtischer Hektik genießt man die sommerliche Voralpenlandschaft und freut sich auf höchsten Musikgenuss in einem architektonischen Juwel, mit denen die Landschaft zwischen Inn und Salzach so reich gesegnet ist. Zudem wollte man heimischen Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne bieten, um ihre Region zu bespielen.

Herausforderungen: mehr Konkurrenz und Finanzierung.

1992 übernahm der amtierende Landrat Jakob Strobl den Vorsitz des Vereins. Nach fast 20 Jahren Musiksommer hatten sich die Rahmenbedingungen bereits deutlich verändert. In der Gründungszeit hatte der Musiksommer kaum Konkurrenz. Doch mit der Zeit schossen immer mehr Festivals und Konzertreihen aus dem Boden. Um für das Publikum attraktiv zu bleiben, wurden neue Veranstaltungsorte erschlossen und die Anzahl der Konzerte erhöht. Im Jahr 2004 gab es 40 Konzerte mit 9.000 Besuchern. Das war aus organisatorischen und finanziellen Gründen nicht mehr lange möglich. 2004 habe ich als Landrat den Musiksommer übernommen und musste schon im Jahr darauf mit einer ernsten finanziellen Situation kämpfen. Daraufhin haben wir die Anzahl der Konzerte im Jahr 2005 auf insgesamt 24 deutlich reduziert. Im Jahr 2006 ist es uns dann gelungen, für jedes Konzert Ausfallbürgen oder konzertbezogene Sponsoren zu finden. Im selben Jahr wurde auch der Förderverein "Freunde des Musiksommers zwischen Inn und Salzach e.V." gegründet – ein wichtiger Trumpf, wie sich bald herausstellen sollte. Zum einen brachte der Förderverein zusätzliche finanzielle Mittel ein, zum anderen öffnete uns der Vorsitzende Prof. Dr. h.c. Albert Scharf, ehemaliger Intendant des Bayerischen Rundfunks, wichtige Kontakte in die Münchner Musikszene und zum Festival der ARD-Preisträger, die wir 2011 erstmals auf der Bühne begrüßen durften.

Eine extreme Herausforderung: die Corona Pandemie.

Ohne Kultur wird es still. Und wie still, das haben wir während der Corona-Pandemie in den Jahren 2020–2022 schmerzlich erfahren. Anfang März waren wir bestens vorbereitet, um in die musikalische Sommersaison 2020 zu starten. Am 16. März wurde deutschlandweit der Katastrophenfall ausgerufen und unser Land ging in den ersten Lockdown. Bange Zeiten, bange Fragen: Wie wird unser Musiksommer überleben? Doch wir haben von Anfang an nicht aufgegeben und hatten unsere Sponsoren und Förderer an unserer Seite. Im Jahr 2020 haben wir es immerhin geschafft, im Herbst sechs von 26 geplanten Konzerten unter erschwerten hygienischen Bedingungen durchzuführen. Aber die strahlenden Gesichter unserer Musikerinnen und Musiker und die Freude des Publikums waren alle Mühen wert: So frenetischen Applaus haben wir selten erlebt. Corona sollte uns auch in den folgenden Jahren begleiten, aber wir lernten schnell. 2021 planten wir mit großen Veranstaltungsräumen, um die geforderten Sitzabstände zu erreichen. Ein kluges Konzept, das aufging: 20 von 24 geplanten Konzerten konnten wir realisieren – die meisten mit Künstlerinnen und Künstlern aus der Region. 2022 kehrten wir langsam zur Normalität zurück. Corona war ein extremer Härtetest für unsere Konzertreihe. Aber wir haben ihn bestanden. Der Musiksommer ist eine kulturelle Aufgabe und wird getragen vom Freistaat Bayern, dem Bezirk Oberbayern, den beteiligten Landkreisen, Kommunen, Kirchenstiftungen, vielen ehrenamtlichen Mitwirkenden, unserem Förderverein und Sponsoren aus der Wirtschaft. Gerade die nicht kommerzielle Ausrichtung des Musiksommers und die pure Freude an der Musik bringen so viele engagierte Kräfte zusammen. Wie engagiert unsere Musiksommer-Gemeinde ist, hat sich gerade in dieser Ausnahmesituation gezeigt.

Die Stärke eines besonderen Netzwerks.

Die Stärke unserer Gemeinschaft zeigt sich aber auch an anderer Stelle. 2023 haben wir eine verspätete Premiere mit einer Operngala in der Opernhalle der Rosenberger-Gruppe in Fridolfing nachgeholt. Die genaue Geschichte haben wir im Programmteil dieses Programmheftes beschrieben. Fast wäre die Premiere wieder ins Wasser gefallen, und zwar sprichwörtlich: Ein Unwetter am Konzerttag machte die Anreise sehr beschwerlich. Das Programmheft hatte es nicht bis zum Konzertort geschafft. Aber auch das Programm war nicht mehr aktuell. Unser Bass, der Opernsänger Andreas Hörl, fiel kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen aus. Thomas Hartmann organisierte wenige Stunden vor dem Konzert mit Martin Snell von der Staatsoper München einen adäquaten Ersatz. Das Programm musste kurzfristig geändert werden, aber wir spielten vor ausverkauftem Haus. In solchen Situationen zeigt sich die enorme Energie, das Herzblut und das Können des Musiksommers, der sich in 50 Jahren immer wieder dynamisch an Veränderungen angepasst hat.

Hermann Steinmaßl, Altlandrat
1. Vorsitzender des „Musiksommer zwischen Inn und Salzach e.V.“